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23.8.2006 taz Meinung und Diskussion 48 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 11
Die schweren Kämpfe in Kongos Hauptstadt Kinshasa lassen keinen Zweifel mehr: Bloß weil die Warlords des kriegszerrissenen Landes sich dem Ansinnen einer demokratischen Wahl gebeugt haben, halten sie sich noch lange nicht an demokratische Spielregeln. Präsident Joseph Kabila hat beim ersten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt und steht nun insbesondere in der Hauptstadt Kinshasa, wo er nur auf den dritten Platz kam, als Schwächling da. Er kann nicht auf die Stichwahl Ende Oktober warten, um diese Schmach wieder wettzumachen. Mit allen Mitteln will er klarstellen, wer Herr im Hause ist. Deswegen nimmt er nun seinen wichtigsten Herausforderer Jean-Pierre Bemba so massiv unter Beschuss.
Es gereicht dem bedrängten Präsidenten allerdings nicht unbedingt zum Vorteil, die ranghöchsten internationalen Diplomaten im Kongo in Bembas Privatkeller zu treiben, während oben die Granaten explodieren, und damit die erste gewaltsame Evakuierungsaktion der UN- und EU-Truppen in Kinshasa zu provozieren. Spätestens jetzt, so kommentieren Bewohner Kinshasas diese Ereignisse, weiß die internationale Gemeinschaft, wer im Kongo den Frieden gefährdet. Für die internationale Diplomatie muss nun das Unwesen der Privatarmeen von Kongos Spitzenpolitikern an die Spitze ihrer Tagesordnung rücken.
Aber damit Kongos Stichwahl Ende Oktober so ruhig und geordnet abläuft wie der erste Wahlgang Ende Juli, sind noch andere politische Schritte nötig. Sowohl Kabila als auch Bemba versorgen die Bevölkerung über die ihnen hörigen Radio- und Fernsehsender mit Hetzpropaganda und einseitiger Information - das muss abgestellt werden.
Und eine Grundfrage bleibt ungeklärt: Wer regiert den Kongo überhaupt? Die zwei wichtigsten Figuren der Allparteienregierung der Warlords, die eigentlich alle Entscheidungen im Konsens treffen sollen, führen jetzt schließlich gegeneinander Krieg. Eine neutrale Instanz fehlt. Der Kongo ist in der kritischsten Phase seines Friedensprozesses plötzlich führungslos. Es spricht die Macht der Gewehrläufe. Wie sollen da funktionierende demokratische Institutionen entstehen? Darauf gibt es bisher keine Antwort.
DOMINIC JOHNSON