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21.8.2006 taz Themen des Tages 148 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 4
Präsident Joseph Kabila gewinnt im Osten des Kongo, sein Herausforderer, der ehemalige Rebellenführer Jean-Pierre Bemba, im Westen
von DOMINIC JOHNSON
Präsident Joseph Kabila hat die historischen freien Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen - aber es reicht nicht zum Sieg. Nach Auszählung von fast 92 Prozent der Stimmen des Urnengangs vom 30. Juli lag Kabila gestern Nachmittag bei 46,3 Prozent, Tendenz sinkend. Sollte es dabei bleiben - und daran gibt es nach Meinung von Experten keinen Zweifel mehr -, gibt es am 29. Oktober eine Stichwahl zwischen Kabila und dem früheren Rebellenführer Jean-Pierre Bemba (18,1 Prozent). Am Abend wollte die Wahlkommission das vorläufige amtliche Endergebnis bekanntgeben.
Der Vorsprung Kabilas scheint auf den ersten Blick auch für die Stichwahl unangreifbar hoch. Doch der erste Blick täuscht womöglich. Kabila hat sein Wählerreservoir nahezu komplett ausgeschöpft. In den Kriegsgebieten Ostkongos hat er überwältigende Mehrheiten von knapp unter 100 Prozent erhalten, bei verdächtig hohen Wahlbeteiligungen von über 90 Prozent. Dort, wo Oppositionsführer stark sind, liegt die Wahlbeteiligung hingegen bedeutend niedriger.
In der Diamantenmetropole Mbuji-Mayi zum Beispiel, Hauptstadt der Provinz Westkasai und Oppositionshochburg, wählten nur 88.000 der knapp 525.000 eingetragenen Wähler - 6.000 stimmten für Kabila. In der ostkongolesischen Metropole Bukavu beteiligten sich dagegen 215.000 von 240.000 Wählern, von denen 200.000 für Kabila stimmten. 400.000 mehr Oppositionsanhänger, die in Mbuji-Mayi wählen, gehen - und Kabilas landesweiter Stimmenanteil sinkt automatisch um 2 Prozent.
Bembas Vergangenheit spricht allerdings gegen ihn. Sein Vater, Bemba Saolona, war einer der mächtigsten Unternehmer der korrupten Mobutu-Diktatur, er selbst steht wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen seiner einstigen Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) auf der Liste des Internationalen Strafgerichtshofs. Aber kein anderer hat den Wahlkampf so meisterlich geführt. Drei Tage vor der Wahl nahm Bemba mit einem spektakulären Triumphzug durch Kinshasa die kongolesische Hauptstadt für sich ein. Die Menschen dort sind nun überzeugt, in Bemba einen ebenbürtigen Gegner des ungeliebten Kabila gefunden zu haben, nachdem sich der langjährige Führer von Kongos demokratischer Opposition, Etienne Tshisekedi, durch einen Wahlboykott ins Aus gespielt hatte.
Ohne die Ergebnisse aus Kinshasa hätte Kabila landesweit die absolute Mehrheit gewonnen, und es gäbe keine Stichwahl. So wird die Metropole ihrer Rolle als Königsmacher gerecht, und für Bemba ist das ein moralischer Sieg. Doch ein Wahltriumph ist es mit unter 20 Prozent landesweit nicht. In Bembas Heimatprovinz Equateur hat Nzanga Mobutu, ein Sohn des früheren Diktators Mobutu Sese Seko, ein Drittel der Wahlkreise gewonnen. Kinshasas Nachbarprovinz Bandundu ist fest in der Hand von Antoine Gizenga, dem letzten überlebenden Politiker der Unabhängigkeitsgeneration von 1960 und einem alten Kampfgefährten Patrice Lumumbas. Er hat dort ähnliche Rekordwerte geholt wie Kabila im Ostkongo und auch in Kinshasa gut abgeschnitten.
Selbst dem versierten Bemba dürfte es schwerfallen, den antikolonialistischen Befreiungshelden Gizenga mit dem Diktatorensprössling Mobutu zu verbünden. In den Kasai-Provinzen sowie in Niederkongo halten sich zahlreiche lokale Kandidaten.
Unmittelbar warnen sämtliche politischen Beobachter des Kongo vor einer gefährlichen Spaltung des Landes: der Osten unter Kabila gegen den Westen unter Bemba. Im Osten gilt das massive Kabila-Votum als Bestätigung des Widerstandes gegen die einst dort herrschenden pro-ruandischen Rebellen - im Westen wird Kabila hingegen als "Ruander" denunziert. Dass Kabila von Kongos einheimischen Nationalsprachen allein das in Ostafrika verbreitete Swahili spricht, sieht man in Kinshasa als Beweis dafür, dass er kein richtiger Kongolese ist - was dann aber für ein Drittel der kongolesischen Bevölkerung gelten würde.
"Alles steht bereit, um dem Kongo als Nation den Todesstoß zu versetzen", analysiert der kongolesische Politologe Thierry Nlandu in Kinshasa. Der frühere Parlamentspräsident Olivier Kamitatu - der während des Wahlkampfs von Bemba zu Kabila wechselte - spricht von der Gefahr "zweier Kongos", die durch "Extremismus und Blindheit" aufeinandergehetzt würden.
Klar ist: Für die UN-Truppe Monuc und die EU-Truppe Eufor bricht eine kritische Zeit an. Kongo hat mit den Wahlen schwieriges Neuland betreten.