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27.7.2006 taz Ausland 131 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 8
In der Demokratischen Republik Kongo mehren sich die Zusammenstöße. Erstmals ist ein Wagen der Bundeswehr angegriffen worden. Oppositionelle und katholische Kirche befürchten Wahlbetrug. Vier Millionen mehr Stimmzettel als nötig gedruckt
AUS KINSHASA DOMINIC JOHNSON
Wenige Tage vor den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo spitzt sich das Klima in der Hauptstadt Kinshasa zu. Erstmals wurde am Dienstag bei einer Oppositionsdemonstration ein Fahrzeug der Bundeswehr angegriffen. Mit von Steinwürfen zerstörten Fenstern fuhr das Fahrzeug, das zwischen den beiden Flughäfen Kinshasas unterwegs gewesen war, am Mittag in das Feldhauptquartier der EU-Eingreiftruppe Eufor ein. "Wir hatten Probleme", erklärten die drei Soldaten im Wagen der polnischen Wachmannschaft am Einfahrtstor.
Zu der Demonstration auf der Hauptstraße, die vom internationalen Flughafen ins Stadtzentrum führt, hatte Kongos größte politische Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) aufgerufen. Die sozialdemokratisch inspirierte Organisation boykottiert die Wahlen am 30. Juli wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung. Polizei und Präsidialgarde stoppten den Aufmarsch nach kurzer Zeit unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken; es gab mehrere Verletzte.
Für Anspannung sorgte auch ein mutmaßlicher Bombenanschlag auf den zentralen Markt der Stadt, als ein vollbesetzter Bus über eine am Boden liegende Handgranate fuhr und explodierte. Entgegen ersten Meldungen von bis zu 13 Toten gab es offenbar lediglich Verletzte.
Nach UN-Angaben war es gar kein Anschlag, sondern einem Soldaten sei die Granate aus Versehen aus der Hosentasche gefallen. Oppositionelle bezweifeln dies.
Die Konfrontation in der Acht-Millionen-Stadt Kinshasa hat sich in dieser letzten Wahlkampfwoche noch einmal verschärft. Zwischen den Wahlboykotteuren, die sich vor allem um die UDPS scharen, und der Polizei kam es bei Demonstrationen mehrfach zu Zusammenstößen. Die katholische Kirche schloss sich am Sonntag in einem in Gottesdiensten verlesenen Hirtenbrief erstmals indirekt dem Aufruf zum Wahlboykott an. Das Volk solle sich "zur Enthaltung bereithalten", hieß es in der Botschaft der Bischöfe. Die Katholiken sind die größte Religionsgemeinschaft des Kongo. Sie vertreten 40 Prozent der 60 Millionen Einwohner.
Am Montag konterte das internationale Diplomatengremium CIAT (Internationales Komitee zur Begleitung des Übergangsprozesses), das Kongos Friedensprozess überwacht, mit einem Aufruf an das Volk, an den Wahlen teilzunehmen. Oppositionelle rufen nun ab heute zu täglichen Protesten auf, auch am Wahlsonntag. Die Regierung wird dies nicht tolerieren. Sie ignoriert bislang eine Forderung des CIAT, die als undiszipliniert geltende Armee am Wahltag in den Kasernen zu lassen, um die Lage zu entspannen.
Die Vorwürfe der Wahlboykotteure sind im Laufe des Wahlkampfs präziser geworden. Sie monieren, dass die Wahlkommission für 25,7 Millionen registrierte Wähler rund 30 Millionen Wahlzettel gedruckt hat, und fürchten einen Einsatz der überzähligen Stimmzettel zum Wahlbetrug. Zugleich fehlen 1,2 Millionen der registrierten Wähler auf den veröffentlichten Wählerlisten. Beteuerungen der Wahlkommission, sie würden trotzdem wählen können, werden angezweifelt.
Von den 64 Wahlzentren des Kongo, in denen die Wahlergebnisse der rund 50.000 Wahllokale zusammengetragen werden und wo die Chancen zum Schummeln am größten sind, gelten laut UNO elf als nicht sicher genug für den Einsatz europäischer Wahlbeobachter. Sollte unter diesen Bedingungen Präsident Kabila mit einer knappen Marge zum Sieger im ersten Wahlgang erklärt werden, befürchten Diplomaten Massenproteste in Kinshasa. Vor allem, wenn die katholische Kirche mit dazu aufruft. "Dann steht die Stadt in Flammen", sagt ein hochrangiger UN-Diplomat.
Auch die von Deutschland geführte EU-Eingreiftruppe Eufor dürfte sich dann nicht mehr verstecken können.