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2.6.2006 taz Themen des Tages 122 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 3
Bundestag stimmt für Bundeswehrbeteiligung an EU-Truppe im Kongo, allerdings bei 135 Nein-Stimmen. Die nächste Herausforderung lautet: Sudan
BERLIN taz • Nach einer Stunde ließ der verteidigungspolitische Sprecher der CDU die Katze aus dem Sack. "Mir ist niemand bekannt, der heute mit Euphorie und besonderer Begeisterung seine Zustimmung erteilen wird", sagte Bernd Siebert gestern bei der Bundestagsdebatte über die Entsendung der Bundeswehr in den Kongo. Es ging auch ohne Begeisterung: Mit 440 zu 135 Stimmen votierte der Bundestag dafür, bis zu 780 Soldaten in die EU-Kongo-Mission Eufor zu entsenden - vier Monate Einsatzzeit, teils in Kongos Hauptstadt Kinshasa, zum größeren Teil in Reserve in Gabun. Sechs Abgeordnete enthielten sich, 33 blieben der Abstimmung fern.
Die 135 Nein-Stimmen kamen aus allen Lagern. Neben FDP und Linkspartei, die geschlossen gegen den Einsatz auftraten, votierten auch elf Grüne gegen den Einsatz und 20 Koalitionsabgeordnete: sechs aus der Union, 14 sogar aus der SPD. Kein Mitglied der Bundesregierung ergriff in der Debatte das Wort, und nur ein Fraktionschef, Fritz Kuhn von den Grünen. Er brachte die Bauchschmerzen auf den Punkt: Man stimme zu, "trotz der Art, wie Sie es vorbereitet haben", sagte Kuhn an die Adresse von Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Kuhns Parteikollege Hans-Christian Ströbele - vor wenigen Wochen noch für den Einsatz - erklärte schriftlich, er sei dagegen, "so lange die Zweifel daran überwiegen, dass die Wahlen am Kongo so weit wie möglich fair sein werden".
"Die Bundeswehr wird sich aufgrund der klaren Aufgabenzuteilung auf die mögliche Evakuierung von Wahlbeobachtern und ausländischen Staatsbürgern konzentrieren. Evakuierungen außerhalb Kinshasas werden von unseren französischen Freunden vorgenommen", stellte Verteidigungsexperte Siebert klar. Eher hohl klang da die häufig gebrauchte hochtrabende Begründung, der Einsatz im Kongo sei notwendig, weil Kongo der Schlüssel zur Befriedung Afrikas sei. "Die Partnerschaft zwischen der EU und Afrika mit Leben erfüllen" wollte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen. Sein CDU-Gegenpart Eckart von Klaeden meinte: "Wir gehen präventiv in den Kongo, um das zu verhindern, was andere tränenreich beklagen wollen." Der Vizefraktionschef der SPD, Walter Kolbow, erklärte: "Wir müssen vor Ort die Probleme angehen, bevor die Probleme zu uns kommen."
"Etwas hat die Debatte gebracht: Dass man über Afrika sehr breit öffentlich diskutiert hat", freute sich hingegen hinterher gegenüber der taz Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Grünen, und konstatierte: "Wir haben die anderen vor uns hergetrieben." Der Bundestag beschloss nämlich auch einen Antrag von CDU/CSU und SPD, der zusätzlich zum Militäreinsatz verstärkte politische Anstrengungen zum Gelingen der Wahlen im Kongo fordert: mehr Wahlbeobachter, Einrichtung einer "moralischen Instanz zur Schlichtung von politischen Streitfällen" und "eine personelle Beteiligung Deutschlands" bei der UN-Mission im Kongo sowie bei den bestehenden EU-Missionen zum Aufbau von Armee und Polizei. "Grundsätzlich sollte Deutschland bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen, zu deren Haushalt Deutschland maßgeblich beiträgt, auch personell im zivilen und militärischen Teil hochrangig vertreten sein", heißt es abschließend.
Was das heißt, dürfte demnächst am Beispiel von Darfur im Sudan deutlich werden. Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, stellte gestern nach einer Rückkehr von einer Sudanreise eine UN-Truppe von 36.000 Mann in Aussicht - 10.000 im Südsudan, 26.000 in Darfur. Das dürfte Deutschland vor eine erneute Afrika-Eingreifdebatte stellen. Gegen Darfur ist Kinshasa ein Erholungsort.
DOMINIC JOHNSON