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26.5.2006 taz Ausland 140 Zeilen, ALEX VEIT/DOMINIC JOHNSON S. 10
Hausarrest für Politiker, Putschvorwürfe gegen Ex-Rebellenführer, Festnahme "ausländischer Söldner", Ankündigung von Massenprotesten: In der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo steigt die politische Spannung bedrohlich an
VON ALEX VEIT (KINSHASA) UND DOMINIC JOHNSON
Hinter Stacheldraht stehen schwerbewaffnete UN-Polizisten aus Bangladesch. Vor ihnen ziehen einige hundert Anhänger der größten kongolesischen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) am Hauptquartier der UN-Mission im Kongo (Monuc) entlang, während drinnen eine Delegation ein Memorandum übergibt. In dem Schreiben protestiert die Partei gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Organisation der von ihr boykottierten Wahlen am 30. Juli. Als die durch ein Großaufgebot der Polizei begleiteten Demonstranten abziehen, sieht ihnen ein UN-Sicherheitsverantwortlicher, der mit langen Haaren und Cowboyhut einem Western entsprungen zu sein scheint, lächelnd hinterher: "Good-bye, und bis zur nächsten Demonstration."
In Kongos Hauptstadt Kinshasa entfaltet sich ein schmutziger inoffizieller Wahlkampf. Dabei bleibt die UNO wesentlicher Ansprechpartner der schwächeren politischen Akteure, die hier Hilfe erwarten. Während die UDPS am Mittwoch demonstrierte, umstellten Spezialeinheiten der Polizei die Häuser von rund zehn Oppositionsführern. "Als mein Sohn morgens zur Schule gehen wollte, standen acht Männer mit Waffen vor unserem Tor", berichtet Valentin Mubake, Präsident des UDPS-Nationalkomitees und Nummer drei der Partei. "Ich bin hingegangen und fragte durch das Guckloch: Wer sind Sie, was wollen Sie? Sie antworteten nicht. Dann sagte einer: Heute kommt hier niemand raus." Bis 14 Uhr habe das gedauert. "Jetzt bin ich wieder frei, aber ich weiß nicht, wie lange noch."
Auch mehrere Häuser von Präsidentschaftskandidaten wurden abgeriegelt. Drei davon waren gar nicht zu Hause, sondern befanden sich angeblich zu Besuch beim Präsidenten der benachbarten Republik Kongo-Brazzaville, Denis Sassou-Nguesso. "Wir kennen das Motiv der Polizei nicht", sagt Amigo Ngonde, Präsident der Menschenrechtsorganisation Asadho. "Doch wir müssen aufpassen, das während dieses Wahlkampfs nicht jeder eingeschüchtert wird."
Die Vorfälle folgten auf die Verhaftung von "32 ausländischen Söldnern", die Innenminister Théophile Mbemba am Vortag bekannt gegeben hatte. Dass die Verhafteten aus den USA, Südafrika und Nigeria Angestellte der international agierenden südafrikanischen Wachschutzfirma "Omega" sind, hält der zur Partei des Präsidenten Joseph Kabila gehörende Minister für einen "Deckmantel". Gegenüber der Presse erklärte er: "Offenbar sind die meisten dieser Militärs aus dem Irak eingereist. Ihr Ziel war der Sturz der gegenwärtigen Institutionen und die Störung des Wahlprozesses."
Menschenrechtler Ngonde kommentiert: "Das ist nur ein weiteres Manöver der Regierung, um die Wähler von den tatsächlichen Problemen abzulenken." In der Tat ist unklar, was eine kleine Gruppe Bewaffneter in Kinshasa ausrichten könnte, wo 1.300 UN-Soldaten stehen, die im Juli durch EU-Truppen verstärkt werden sollen. Kabila-treue Zeitungen warnen jedoch seit einer Woche, es drohe ein Putschversuch durch Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, einstiger Rebellenführer mit eigenen Truppen.
Aus UN-Kreisen heißt es, Präsidentschaftskandidat Oscar Kashala, ein aus dem US-Exil zurückgekehrter Geschäftsmann, habe um den Schutz der UNO gebeten, denn die Verhafteten hätten zu seiner Leibgarde gehört. Kashala war in der lokalen Politik bislang weitgehend unbekannt, soll jedoch durch Diamantenhandel ein Vermögen verdient haben, durch das er sich im Wahlkampf profilieren könnte.
Die Opposition plant derweil ihre nächsten Proteste. Am 31. Mai will die UDPS zusammen mit der katholischen Kirche und zivilgesellschaftlichen Gruppen Großdemonstrationen im ganzen Land durchführen. Die Forderung, so erklärt eine UDPS-Delegation in Berlin: Die internationale Gemeinschaft muss einen "politischen Dialog" organisieren, um zu klären, wie der Kongo nach Ablauf der Amtszeit der Allparteienregierung am 30. Juni regiert wird. UDPS-Führungsmitglied Sylvain Kamanyi warnt: "Man unterschätzt uns, weil wir nicht zu den Waffen gegriffen haben. Aber wir können wütende Jugendliche nicht unbegrenzt im Zaum halten."