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22.4.2006 taz Inland 121 Zeilen, ULRIKE WINKELMANN S. 19
er Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele ist im Kongo, um sich eine Meinung zum Bundeswehreinsatz bei den dortigen Wahlen zu bilden. Er fordert mehr Wahlbeobachter - und sagt, die EU-Soldaten hätten vor allem einen symbolischen Wert
INTERVIEW ULRIKE WINKELMANN
taz: Herr Ströbele, was erzählt man Ihnen in Kongos Hauptstadt Kinshasa zu den geplanten Wahlen und was europäische Soldaten dabei tun sollten?
Christian Ströbele: Wir haben jetzt vier Minister, sieben Parlamentarier und einige andere politische Vertreter getroffen. Soeben kommen wir von einem Gespräch mit dem Vizepräsidenten. Niemand hat etwas gegen den EU- oder den Bundeswehreinsatz. Im Gegenteil: Es gibt ungeheuer hohe Erwartungen an die EU-Truppen - so hoch, dass sie gar nicht erfüllt werden können. Zum Beispiel sollen alle Kandidaten geschützt werden.
Was erhoffen sich Ihre Gesprächspartner von der EU, was nicht die 17.000 Mann starke Monuc-Blauhelmtruppe oder das eigene Militär kann?
Die eigenen Soldaten werden großenteils eher als Gefahr denn als Schutz betrachtet. Monuc genießt Ansehen, aber weniger Vertrauen und ist ganz überwiegend im Krisengebiet im Osten gebunden. Außerdem hat es Gewaltvorfälle auch mit UN-Soldaten gegeben. Die EU und insbesondere die Deutschen genießen dagegen unglaublich großes Vertrauen - man sieht sie als neutral, nicht interessengebunden.
Von hier aus wirkt es kolonialistisch, bei 17.000 asiatischen UN-Soldaten im Lande nun mit ein paar hundert Europäern Ordnung herstellen zu wollen.
Die Debatte läuft hier komplett umgekehrt. Mit Argusaugen verfolgt man, ob der EU-Einsatz etwa in der deutschen Diskussion wieder geschmälert werden könnte. Ich frage mich: Was passiert eigentlich, wenn wir diese hohen Erwartungen weder personell noch örtlich noch zeitlich erfüllen können? Wenn wir zu wenige Soldaten, zu kurz, am falschen Ort haben werden, falls etwas passiert?
Viele - auch die taz - haben gefordert, angesichts der neuerlichen Verschiebung der Wahlen nun doch noch die wichtigste Oppositionspartei, die UDPS, zur Wahl zuzulassen. Dadurch werde das Risiko von Unruhen verringert.
Wir haben uns gestern mit dem UDPS-Führer Etienne Tshisekedi getroffen. Er sagt, er will sich nach wie vor gar nicht an den Wahlen beteiligen. Er fordert den Dialog, aber diese Wahlen hält er für unrechtmäßig. Er wollte da gar nicht drüber reden.
Mit welcher Botschaft kommen Sie denn nächste Woche aus dem Kongo zurück? Soll das Parlament dem Kongoeinsatz in der geplanten Größenordnung zustimmen?
Ich bin hin- und hergerissen. Grundsätzlich bin ich nicht gegen Afrikaeinsätze. Aber immer bleibt die Frage: Ist das wirklich notwendig? Sind nicht andere Hilfen - etwa noch mehr Geld - sinnvoller?
Welche Bedingung würden Sie denn an ein Ja zum Kongoeinsatz knüpfen?
Auf jeden Fall braucht Kongo viele, viele Wahlbeobachter - viel mehr, als bisher eingeplant sind. Das hat auch gerade der Vizepräsident erklärt. Dieses Land ist so groß wie ein Kontinent, es sind 25 Millionen Wähler registriert, im Osten herrschen noch kriegerische Unruhen, die Menschen haben Angst vor ihrer eigenen Truppe. Es wird zur Wahl alles darauf ankommen, zu entscheiden: Gibt es einen begründeten Betrugsvorwurf oder nicht?
Wozu dann die Bundeswehr?
Die deutschen Soldaten haben einen hohen Symbolwert. Zwar ist die Bundeswehr nicht für symbolische Werte zuständig. Aber mit der Abwägung, ob der Einsatz hier gerechtfertigt ist, bin ich noch nicht fertig. Bislang habe ich ja nur Kinshasa gesehen, wo die Bundeswehr auch eingesetzt werden soll. Aber morgen reise ich nach Bukavu im Osten, wo die Unruhen sind. Dann werde ich versuchen, mir ein Gesamtbild zu machen.
Noch ist unklar, wann im Kongo die ersten freien Wahlen seit dem Ende der belgischen Kolonialherrschaft 1960 stattfinden können. Angepeilt war zunächst der 18. Juni, seither heißt es Ende Juli. Zur Absicherung der Wahlen in dem 60-Millionen-Einwohner-Land baten die UN die EU, die UN-Blauhelmtruppe Monuc zu verstärken. Geplant ist nun, 1.500 EU-Soldaten für vier Monate vor allem in die Hauptstadt Kinshasa zu schicken. Davon soll die Bundeswehr 500 Soldaten stellen, die auch hinter den Grenzen für Evakuierungen bereitstehen. Das Kabinett befasst sich am 3. Mai damit, dann stimmt der Bundestag ab. UWI