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28.2.2006 taz Ausland 123 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 10
EU-Truppe für Kongos Wahlen wird immer unwahrscheinlicher. Stattdessen plant Präsident Joseph Kabila den klaren Durchmarsch schon im ersten Wahlgang
BERLIN taz Je länger die Europäische Union eine Entscheidung über eine Truppenentsendung in die Demokratische Republik Kongo hinausschiebt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass EU-Soldaten zu den geplanten Wahlen den Fuß auf kongolesischen Boden setzen. Gestern vertagten die EU-Außenminister einen Beschluss erneut. Zwar äußerten Deutschland, Frankreich, Belgien und Schweden informell Bereitschaft zur Teilnahme, aber führen will die Mission niemand, und ihre Aufgabe bleibt offen.
Die Minister erklärten, die Bereitstellung eines "sicheren Umfelds" für die Wahlen sei "zuallererst die Verantwortung der (kongolesischen) Übergangsregierung, unterstützt von der Monuc" (UN-Mission im Kongo). Man stelle "Überlegungen" an, wie man die UNO unterstützen könne, gemeinsam mit Kongos Regierung und der Afrikanischen Union (AU). Zurückhaltender lässt sich Interventionsbereitschaft kaum ausdrücken.
Tatsächlich hat sich ein internationaler Sinneswandel gegenüber Kongos Wahlen eingestellt, seit die UNO in New York Ende Dezember ihre Truppenanfrage an die EU richtete. Damals, kurz nach dem Verfassungsreferendum im Kongo, herrschte große Unsicherheit über den Wahlausgang. Mehrere wichtige Herausforderer brachten sich gegen den als blass geltenden Staatschef Joseph Kabila in Stellung - der ehemalige Zentralbankchef und Milizenfinanzier Pierre Pay-Pay, der Reformkräfte um sich scharen wollte, sowie Oppositionsführer Etienne Tshisekedi, dessen Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) soeben ihren Boykott des Wahlprozesses beendet hatte. Es sah so aus, dass mangels eines klaren Wahlsiegers militärische Machtkämpfe ausbrechen könnten.
Heute hat sich das Bild gewandelt. Präsident Kabila rechnet inzwischen mit einem Sieg im ersten Durchgang der Wahlen. Pay-Pay hat kaum Verbündete gefunden und in der Bevölkerung keinen Eindruck hinterlassen. Tshisekedis Chancen sind gering, weil viele seiner Anhänger nicht als Wähler registriert sind - nach dem Ende des UDPS-Boykotts weigerte sich Kongos Wahlkommission in Abstimmung mit den Gebern, die Wählerregistrierungsbüros in deren Hochburgen wieder zu öffnen.
Kabila hingegen hat Punkte gesammelt. Im Osten des Landes hat seine Partei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) ihre Präsenz stark ausgebaut und offenbar auch die lokalen Milizen auf ihre Seite gezogen, auf die Pay-Pay gesetzt hatte. Um seine Anhänger zu stärken, richtete Kabila letzte Woche im ostkongolesischen Bukavu ein Militärhauptquartier ein. In Kongos größter Provinz Katanga sollen Millionensummen aus dem Bergbaugeschäft in PPRD-Kassen fließen. Die in Katanga sehr präsente belgische Unternehmensgruppe Malta Forrest steht nach Berichten aus Belgien dabei an vorderster Front.
Viele kongolesischen Beobachter glauben, dass vor allem die USA und Frankreich sowie ihre afrikanischen Freunde, zu denen wichtige Nachbarländer des Kongos gehören, auf einen Kabila-Sieg setzen. Nach gegenwärtigem Zeitplan finden die erste Runde der Präsidentschaftswahl und die Parlamentswahl am 18. Juni statt. Nur wenn daraus ein klarer Sieger hervorgeht, ist der Termin des 30. Juni zu halten, an dem nach den geltenden Friedensverträgen die Amtszeit der gegenwärtigen Allparteienregierung abläuft und eine gewählte Regierung die Macht übernimmt. Das internationale Komitee zur Begleitung des Friedensprozesses (Ciat) stellte am Freitag erneut klar, der 30. Juni sei unverrückbar, und machte deutlich, dass ein zweiter Wahlgang unerwünscht ist. Damit entfiele auch die Notwendigkeit, zwischen den Wahlgängen EU-Truppen zu schicken.
DOMINIC JOHNSON